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Die Dos und Don´ts beim Breitbandausbau

Berlin, 8. Juni 2020 | Autor: Dirk Fieml, CEO der tktVivax Group

Die Corona-Krise hat es endgültig deutlich gemacht: Funktionierende digitale Infrastrukturen auf Basis flächendeckender Breitbandnetze sind Teil der Daseinsvorsorge. Versorgungsunternehmen sind zwar prädestiniert dafür, diese Netze aufzubauen und zu betreiben. Doch das Know-how dafür ist in vielen Fällen noch nicht vorhanden.

Erschienen in e|m|w Ausgabe 03/2020

Aufgabe ernst nehmen

Ein Fehler, der oft gemacht wird, ist, das Thema Breitband von Beginn an weitgehend outzusourcen. Denn damit begibt sich das Versorgungunternehmen in die Abhängigkeit von Dritten. Dies kann sich sehr schnell negativ auf die Kundenbeziehungen auswirken. Denn in der Regel steht der eigene Name auf den Produkten. Wenn der Dienstleister jedoch einen schlechten Job macht, der Service nicht stimmt oder es technische Probleme gibt, fällt das alles auf das Stadtwerk zurück. Das hat dann aber kaum eine Möglichkeit, selbst für Abhilfe zu sorgen. In der Praxis erleben wir zudem häufig, dass Versorgungsunternehmen der Herausforderung Breitbandversorgung nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken. Sie meinen, sie könnten das quasi nebenher erledigen – etwa als Add-on für den Energievertrieb. Auch das kann auf Dauer nicht funktionieren. Egal ob man als „Dark-Fiber-Anbieter“ das Breitbandnetz lediglich vermietet, die Aktiv-Technik und die einzelnen Fasern mitvermarktet oder als Komplettanbieter für Internet, Telefonie und IPTV auftritt: In jedem Fall muss man diese Geschäftsfelder ganzheitlich und professionell angehen. Wenn irgendwo Probleme auftreten und man diese nicht umgehend lösen kann, weil die Kompetenz fehlt, wird es schnell teuer. Und das gefällt den wenigsten Aufsichtsgremien. 

Make and Buy

Vor dem Start des Breitbandausbaus steht erst einmal die Entwicklung der geeigneten Strategie. Ziel sollte es sein, das notwendige Know-how über die Zeitachse hinweg selbst aufzubauen und so die Wertschöpfung ins eigene Haus zu holen. Dafür müssen die einzelnen Wegpunkte eines Breitbandprojekts einzeln betrachtet und jeweils entschieden werden, inwieweit Unterstützung notwendig ist oder nicht. Bewährt hat es sich, wenn man schon zu diesem Zeitpunkt mit einem Partner spricht, der die Herausforderung „Breitband“ buchstäblich in ihrer gesamten Bandbreite beherrscht. 

Fördermittel

Eine der wichtigsten Fragestellungen ist zunächst die der Finanzierung. Die Breitbandstrategie der Bundesregierung und der Bundesländer sieht die finanzielle Förderung des Breitbandausbaus vor. Dabei werden unterschiedliche Vorhaben zum Netzausbau in Gebieten unterstützt, in denen sich ein wirtschaftlicher Ausbau für einen Netzbetreiber nicht lohnt. Hier die geeigneten Programme zu identifizieren und vor allem auch, die Anträge entsprechend auszuarbeiten, überlässt man in der Regel dem externen Partner. Denn oft ist es notwendig, dass der Antragsteller bereits eine sehr genaue Vorstellung über den Anwendungsfall oder die Anwendungsfälle mitbringt, oder es müssen strukturierte Projektskizzen eingereicht werden, die man ohne entsprechendes Know-how kaum umsetzen kann. 

Netzplanung und Clusteranalyse

Bei der Netzplanung sollte man differenziert vorgehen. So ist der eigentliche Tiefbau für einen Netzbetreiber sicher keine große Herausforderung, die technische Planung eines Glasfasernetzes inklusive der dazu notwendigen aktiven Komponenten dagegen schon. Noch komplexer wird es für die Planung, wenn man sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Clusteranalyse. Da in der Regel nicht alle Haushalte in einer Region zu Kunden werden, muss der Aufbau eines Breitbandnetzes sinnvoll gestaltet werden. Idealerweise erschließt man zunächst die Bereiche, die das höchste wirtschaftliche Potential bieten (Abb. 1). Dazu werden räumlich getrennte Flächen anhand verschiedener Bewertungskriterien verglichen, beispielsweise hinsichtlich ihres Umsatzpotentials und der für die Erschließung notwendigen Investitionen. 

Das richtige Geschäftsmodell

Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie sich ein Versorgungsunternehmen aufstellen kann: als Passivnetzbetreiber, als Aktivnetzbetreiber oder auch als Anbieter von Diensten wie Internet, Telefonie oder IPTV. Hierbei gibt es noch diverse Mischformen, z. B. eine unterschiedliche Vorgehensweisen bei den Privat- und Gewerbekunden. Die Geschäftsmodelle unterscheiden sich vor allem hinsichtlich Wertschöpfung und Ertragschancen, aber auch in Sachen wirtschaftlicher Risiken. Grundsätzlich bietet jedoch die Vermarktung von Breitbandnetzen zahlreiche Chancen, neue, versorgungsnahe Geschäftsmodelle aufzubauen. Denn dieser Markt ist vergleichsweise aufgeräumt und der Preiskampf ist längst nicht so intensiv wie etwa beim Strom. Auch die erzielbaren Margen pro Kunde sind deutlich höher. Aus diesem Grund lohnt es sich durchaus, alle drei Alternativen genau zu prüfen.

Die Wirtschaftlichkeit von Breitbandnetzen wird am besten mithilfe eines dynamischen Business-Case-Modells untersucht (Abb.2). Dies bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Szenarien und Geschäftsmodelle auf ihre wirtschaftlichen Potenziale hin abzuklopfen. Je nach beabsichtigter Wertschöpfungsstufe werden die Modelle dann aufbereitet. Die Wertschöpfung kann dabei vom reinen Auf- und Ausbau sowie der Verpachtung des Netzes bis hin zur Positionierung als umfassender Internetdienstleister reichen. Ausgehend von einer ersten Kostenprognose wird das jeweilige Modell immer exakter ausgearbeitet. Am Ende steht dann die detaillierte Analyse der Konditionen, der Vorprodukte, der eigenen Produkte, der Vertriebsstrategien, der Preisfindung sowie der Umsatz-, Gewinn- und Verlustplanung. Damit liegen alle Fakten vor, um auf dieser Basis eine Entscheidung für einen wirtschaftlichen Ausbau des Netzes treffen zu können (Abb.3). Eine detaillierte Business-Case-Betrachtung wird so zur nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlage für ein politisches Gremium oder den Aufsichtsrat eines Stadtwerks.

Prozesse, Organisation und IT

Will sich ein Unternehmen zum Digitalversorger wandeln, wirkt das natürlich auch direkt auf die Prozesse und die Unternehmensorganisation aus. Es bietet sich also an, den Aufbau der neuen Geschäftsfelder zu nutzen, um die internen Prozesse generell auf den Prüfstand zu stellen. Viele Unternehmen haben die internen Prozesse bereits modelliert, sind jedoch von einer Optimierung weit entfernt. Oft spiegeln die Festlegungen lediglich den Status-quo wider. Das heißt, die Ist-Prozesse wurden zwar erfasst, daraus aber keine weiterführenden Maßnahmen entwickelt, insbesondere was die Digitalisierung anbetrifft. Eine konsequente Digitalisierung im Prozessmanagement erfordert unbedingt eine unternehmensübergreifende Strategie. Denn zum einen verändert die Umsetzung die Unternehmenskultur über alle Bereiche hinweg. Und auch die bereits implementierten Prozesse müssen nochmals analysiert und überdacht werden, damit sie mit den neuen digitalen Abläufen reibungsfrei zusammenspielen. Vor der Definition der prozessübergreifenden Anforderungen steht am Anfang auch eine umfassende Prozesskostenanalyse (Abb.4). Diese bietet nicht nur eine transparente Übersicht über die Kostenverteilung insgesamt. Sie liefert auch wertvolle Hinweise dazu, wo sich eine Digitalisierung lohnt und vor allem auch, wo nicht. Ist ein bestimmter Ablauf beispielsweise mit geringen Kosten verbunden, könnte aber nur mit größerem Aufwand digitalisiert werden, kann dies möglicherweise zurückgestellt werden, bis sich dieses Verhältnis aufgrund veränderter Rahmenbedingungen dreht. Daneben bringt auch der Betrieb von Breitbandnetzen spezielle Anforderungen mit sich, die sich mit herkömmlichen Softwaresystemen kaum lösen lassen. Benötigt wird eine Lösung, mit der sich sowohl die technische Seite des Netzes als auch die Kunden, ihre Verträge sowie die technische Provisionierung der Neukunden. abbilden lassen.

Vertrieb

Der Vertrieb eines Internet Service Providers unterscheidet sich grundsätzlich von dem eines klassischen Stadtwerks. Denn für den wirtschaftlichen Erfolg ist es entscheidend, schon zum Start eine möglichst hohe Kundenzahl zu generieren. Dazu muss man auch mal „Klinken putzen“ und die potenziellen Kunden eines Clusters ganz persönlich ansprechen. Dazu eigenes Personal aufzubauen, lohnt sich nicht unbedingt, denn diese Vertriebsaktivitäten müssen nicht kontinuierlich laufen, sondern gerade in der Phase kurz bevor der Cluster tatsächlich ans Glasfasernetz geht. Zudem werden in der Regel zeitlich begrenzte Kampagnen gefahren. Hier lohnt es sich deswegen, für diesen Zeitraum speziell geschulte externe Vertriebsteams einzusetzen, die für die entsprechende intensive Marktbearbeitung sorgen.

Wertschöpfung sichern

Wie beschrieben, macht es vor und während des Ausbaus von Glasfasernetzen durchaus Sinn, an vielen Stellen auf externe Unterstützung zu setzen. Ziel muss es jedoch immer sein, die Wertschöpfung baldmöglichst ins eigene Haus zu holen. Deswegen sollte man bei der Auswahl des Partners darauf achten, ob dessen Geschäftsmodell darauf ausgerichtet ist, den dazu notwendigen Know-how-Transfer aktiv zu unterstützen. Daneben muss der externe Partner umsetzungsorientiert arbeiten. Es reicht nicht aus, ein Konzept auszuarbeiten und dann die Realisierung anderen zu überlassen. Notwendig ist vielmehr eine aktive Begleitung des Projekts bis zu dem Zeitpunkt, an dem die jeweiligen Aufgaben vom Unternehmen selbst übernommen werden.

Breitbandstrategie in der e|m|w