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Telekommunikations- und Energie-Vertrieb: Bündeln oder trennen?

27. September 2023 | Autor: Dirk Fieml, CEO tktVivax Group

Für Stadtwerke, die das Breitbandgeschäft keinem Dritten überlassen wollen, stellt sich eine essenzielle Frage: Sollte der Breitband-Vertrieb als eigenständige Einheit agieren, oder ist eine vollintegrierte Struktur über alle Sparten hinweg die bessere Lösung? Antworten darauf liefert Dirk Fieml, CEO der tktVivax Group, in einem Gastbeitrag für die Zeitung für kommunale Wirtschaft ZfK (gekürzt).

Dirk Fieml, CEO tktVivax Group
Project Description

Auch wenn betriebswirtschaftlich vieles für eine Vollintegration spricht, ist es in den meisten Fällen sinnvoller, den Breitbandmarkt zunächst separat zu erschließen. Denn es gibt vielschichtige Unterschiede zwischen Energie- und Telekommunikationsprodukten sowie den daraus resultierenden betrieblichen Anforderungen. 

Schnelle Erfolge nötig

Während im Energievertrieb in der Regel eher mittel- oder langfristige Strategien verfolgt werden, geht es beim Vertrieb von Telekommunikationsprodukten zunächst darum, sehr kurzfristig Erfolge zu erzielen. Denn es gilt nicht nur, sich in einem Markt durchzusetzen, der derzeit noch von den großen Anbietern dominiert wird. Es muss auch schnell eine möglichst hohe Auslastung des eigenen Netzes erreicht werden. Nur so lässt sich ein Glasfasernetz auf lange Sicht wirtschaftlich betreiben. Ein aktiver Ansatz ist also unverzichtbar, um im ersten Schritt eine möglichst hohe Anschlussquote zu erreichen. Es reicht nicht, ein Kundenportal online zu schalten und darauf zu hoffen, dass die Kunden von sich aus auf einen zu kommen. Neben einer offensiven Kommunikations- und Werbestrategie ist es vielmehr notwendig, systematisch und direkt auf jeden potenziellen Kunden und jede potenzielle Kundin zuzugehen.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Door-to-Door-Vertrieb (D2D), speziell in der Anfangsphase. Denn es geht nicht nur darum, Produkte zu verkaufen. In der Regel müssen zunächst auch viele technische Fragen rund um den Hausanschluss oder die Inhouse-Verkabelung ge- und erklärt werden. Das funktioniert am besten im persönlichen Gespräch im Haushalt vor Ort. Dort können die Gegebenheiten direkt in Augenschein genommen, Vorbehalte beseitigt und Lösungen aufgezeigt werden. Der D2D-Vertrieb unterscheidet sich somit deutlich vom herkömmlichen Vertrieb und erfordert auch spezielles Know-how. Natürlich ist es für den Aufbau des Breitbandgeschäftes gut, wenn die Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter verkäuferisches Talent mitbringen. Genauso wichtig sind jedoch auch das technische Verständnis und vor allem ein seriöses Auftreten – insbesondere, wenn externe Dienstleister für diese Aufgabe herangezogen werden. Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, hier seien „Drückerkolonnen“ unterwegs, denn die eingesetzten Kräfte stehen für den guten Namen des Stadtwerks.
 

Telekommunikationsprodukte sind anders

Die Natur von Telekommunikationsprodukten Internet, Telefonie und TV erfordert eine völlig andere Herangehensweise als bei Strom oder Gas. Ihr jugendliches Image verlangt nach einem ansprechenden Design, das auf der Website gleichermaßen reflektiert werden sollte. Der Energievertrieb muss in erster Linie funktionieren und preislich attraktive Angebote liefern, während die Telekommunikation Emotionen weckt und anspricht. Zudem müssen, insbesondere im Kontext von Glasfaser, die TK-Produkte und ihre Vorteile oftmals erklärt werden. Speziell, wenn Hardware-Aspekte berücksichtigt werden müssen, ist eine intensivere Beratung notwendig. 

Digitale Basis verfügbar

Breitbandnetze und -produkte können nicht über herkömmliche CRM-Systeme verwaltet werden. Nicht nur das Auftragsmanagement und die Anbieterwechsel-Prozesse funktionieren völlig anders als im Energiemarkt. Kunden müssen provisioniert, also mit der richtigen Hardware ausgestattet werden. Auch hinter dem Aktivschalten eines Kunden liegen ganz eigene technische Prozesse. Ein tiefes Verständnis der technischen und betrieblichen Aspekte ist deswegen für den erfolgreichen Telekommunikationsvertrieb unabdingbar. Die Beratung der Kunden und die reibungslose Abwicklung erfordern ein breites Know-how, sei es im Umgang mit Highspeed-Internet oder der Router-Konfiguration. Zudem ist das Breitband-Business ein Massengeschäft. Die damit zusammenhängenden Prozesse müssen damit weitgehend automatisiert ablaufen, beginnend mit einem eigenen Webshop über die Bestellstrecke und die Aktivschaltung bis hin zur Abrechnung.

Prozesse und Systeme unterscheiden sich

Die wegen des Unbundlings im Energie-Bereich erlernte organisatorische bzw. informatorische Trennung muss im TK-Bereich aufgelöst werden. Technik und Vertrieb arbeiten sehr eng zusammen, da ihre Prozesse Hand in Hand gehen: Der Auftrag wird eingeholt, ein Gestattungsvertrag muss folgen, der Bau wird vorbereitet, das Datum kommuniziert und gegebenenfalls ein Anbieterwechselprozess eingeleitet. Arbeiten die Abteilungen nicht gut zusammen, leidet in der Regel der Endkunde, da Dinge schiefgehen und beispielsweise die für den Hausanschluss notwendige Kommunikation nicht rechtzeitig erfolgt oder der Internetanschluss zum vereinbarten Termin nicht funktioniert.

Nicht „nebenbei“

Das Breitband-Geschäft ist zu komplex, um einfach „nebenbei“ zu laufen. Verlangt man von den Mitarbeitenden, neben ihrer normalen Auslastung zusätzlich das TK-Geschäft aufzubauen – mit allen Herausforderungen und Komplexitäten, die bereits genannt wurden¬ – sind diese oft überfordert und die Aufgaben werden nur „halbherzig“ erledigt. Die Mitarbeitenden sollen sich insbesondere in der Anfangsphase voll auf das Breitband-Geschäft konzentrieren können.

Agile Taskforce für den Einstieg

Die erfolgversprechendste Strategie für den erfolgreichen Start des Breitbandgeschäfts ist es, sowohl den Vertrieb als auch den Service und die Technik als agil arbeitende Taskforce zu installieren. Damit schafft man die nötige Flexibilität und Freiräume, das Know-how schnell ins Haus zu holen und bei Bedarf externe Partner einzubeziehen, die spezielle Aufgaben wie etwa den D2D-Vertrieb oder das Netzmanagement übernehmen. Diese Taskforce kann nach dem Übergang in den Normalbetrieb entweder in die anderen Sparten integriert werden oder weiterhin als eigener Bereich selbstständig arbeiten. Die Option, das Breitband-Geschäft ganz oder teilweise in eine eigene Organisation auszulagern, bleibt ebenfalls offen.

Nichtsdestotrotz sollten die Erfahrungen aus dem Telekommunikationsvertrieb auch für die immer schwieriger zu vermarktenden Produkte Strom, Gas und Wärme genutzt werden. Denn hier sind die Deckungsbeiträge im Vergleich zu Internet-Produkten deutlich niedriger. Die Möglichkeit, Cross-Selling-Potentiale zu erschießen, sowie die Nutzung von vollintegrierten Kundenportalen bieten in jedem Fall Chancen, die eigene Positionierung auszubauen und zu verbessern. Das Stadtwerk bleibt so auch für das Glasfasernetz der zentrale Ansprechpartner vor Ort. Und der Kunde muss sich nicht mit unterschiedlichen Kundennummern und Kontakten im selben Unternehmen herumschlagen. 

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