Berlin, 27. Juli 2020 | Autor: Dirk Fieml, CEO der tktVivax Group
Die Breitbandversorgung gehört künftig zur Daseinsvorsorge, darüber herrscht allgemein Einigkeit. Auch dass Stadtwerke prädestiniert dafür sind, die dazugehörigen Infrastrukturen aufzubauen und zu betreiben, steht kaum infrage. Doch welche Strategie ist die richtige? Eine Frage, auf die es keine eindeutige Antwort gibt.
Dieser Artikel erschien in gekürzter Form in der stadt+werk Ausgabe 7-8/2020
Es gibt ganz unterschiedliche Optionen, wie sich ein Versorgungsunternehmen aufstellen kann: als Passivnetzbetreiber, als Aktivnetzbetreiber oder auch als Anbieter von Diensten wie Internet, Telefonie oder IPTV. Hierbei gibt es noch diverse Mischformen, z. B. unterschiedliche Vorgehensweisen bei den Privat- und Gewerbekunden. Die Geschäftsmodelle unterscheiden sich vor allem hinsichtlich Wertschöpfung und Ertragschancen, aber auch in Sachen wirtschaftlicher Risiken. In jedem Falle bietet jedoch die Vermarktung von Breitbandnetzen zahlreiche Chancen, neue, versorgungsnahe Geschäftsmodelle aufzubauen. Denn dieser Markt ist vergleichsweise überschaubar. Und der Preiskampf ist längst nicht so intensiv wie etwa beim Strom. Auch die erzielbaren Margen pro Kunde sind deutlich höher. Aus diesem Grund lohnt es sich durchaus, alle drei Alternativen genau zu prüfen.
Business Cases durchrechnen
Um das jeweils am meisten erfolgversprechende Geschäftsmodell zu identifizieren, müssen zunächst entsprechende Business Cases aufgebaut und durchgerechnet werden. Die Wirtschaftlichkeit von Breitbandnetzen wird dabei am besten mithilfe eines dynamischen Business-Case-Modells untersucht. Ausgehend von einer ersten Kostenprognose wird das jeweilige Modell immer exakter ausgearbeitet. Am Ende steht dann die detaillierte Analyse der Konditionen der Vorprodukte, der eigenen Produkte, der Vertriebsstrategien, der Preisfindung sowie der Umsatz-, Gewinn- und Verlustplanung. Damit liegen alle Fakten vor, um auf dieser Basis eine Entscheidung für einen wirtschaftlichen Ausbau des Netzes treffen zu können. Eine detaillierte Business-Case-Betrachtung wird so zur nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlage für ein politisches Gremium oder den Aufsichtsrat eines Stadtwerks
Passiv-Netz oder Aktiv-Netz
Ein Passivnetz zu errichten und zu vermarkten, ist sicherlich das einfachste Breitbandgeschäftsmodell. Hier übernimmt der Netzbetreiber als „Dark-Fiber-Anbieter“ lediglich den Bau des Glasfasernetzes und sorgt für die Hausanschlüsse. Für die Installation der Aktivkomponenten – also vereinfacht gesagt alle Netzkomponenten, die Strom benötigen – sowie Netzbetrieb sorgt dann der Pächter des Netzes. Dies sind in der Regel Carrier und Telekommunikationsunternehmen. Die Verpachtung eines Passivnetzes kommt vor allem für Gebietskörperschaften oder kleinere Unternehmen infrage, die sich scheuen, die für einen Aktivnetzbetrieb notwendigen Kompetenzen und die damit verbundenen personellen Ressourcen aufzubauen.
Mit dem Betrieb eines Aktivnetzes lässt sich die Wertschöpfungstiefe deutlich steigern. Hier muss aber zunächst die Frage des Betreibers geklärt werden. Normalerweise wird eine Kommune das lokale Stadtwerk beziehungsweise dessen Telekommunikationstochter bevorzugen. Doch bei den nötigen Investitionen für solch ein Netz werden schnell EU-Ausschreibungen notwendig, die diesen Wunsch torpedieren können. Auch lohnt es sich, genau darauf zu achten, welche Bedingungen die Vergabe von Fördermitteln vorsehen. Denn auch diese sind oft mit Vorgaben verknüpft, die die Vergabe stark beeinflussen
Aufstellung als Diensteanbieter
Wer sich als Aktivnetzbetreiber positioniert, sollte darüber nachdenken, ob er nicht auch zusätzlich Diensteanbieter wird. Oft braucht ein Aktivnetzbetreiber dazu Partner, die die entsprechenden Produkte für Internet, Telefonie und IPTV im Portfolio haben. Lagert er diesen Prozess komplett aus, sind seine Einflussmöglichkeiten, die Qualität des Angebots mitzubestimmen, eher gering. Weil die Produkte in der Regel als White-Label-Angebote – also im Namen und mit dem Logo des Stadtwerks – vermarktet werden, schlagen technische Probleme oder ein schlechter Service direkt auf das eigene Image durch, die Kundenbeziehungen können dadurch durchaus strapaziert werden. Bietet das Stadtwerk die Dienste in Eigenregie mit geringer Unterstützung Dritter an, kann ein Stadtwerk seine bestehenden Kundenbeziehungen einsetzen, um auch Breitbandprodukte erfolgreich zu vermarkten, unter anderem als Kombi-Produkte. Anders als über externe Dienste können so auch Cross-Selling-Potenziale erschlossen werden, in dem Breitband- mit Energieprodukten oder anderen Angeboten aus dem eigenen Portfolio gekoppelt werden. Dabei bietet es sich an, zumindest den 1st-Level-Support über das eigene Kundencenter abzuwickeln. Denn gerade diese Nähe zum Kunden könnten überregionale Diensteanbieter nicht abbilden.
Dabei sollte man das Thema Breitband nicht in jedem Fall von Beginn an weitgehend outsourcen. Denn damit begibt sich das Versorgungsunternehmen in die Abhängigkeit von Dritten. Dies kann sich sehr schnell negativ auf die Kundenbeziehungen auswirken. Denn in der Regel steht der eigene Name auf den Produkten. Wenn der Dienstleister jedoch einen schlechten Job macht, der Service nicht stimmt oder es technische Probleme gibt, fällt das alles auf das Stadtwerk zurück. Das hat dann aber kaum eine Möglichkeit, selbst für Abhilfe zu sorgen. In der Praxis erleben wir zudem häufig, dass Versorgungsunternehmen der Herausforderung Breitbandversorgung nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken. Sie meinen, sie könnten das quasi nebenher erledigen – etwa als Add-on für den Energievertrieb. Auch das kann auf Dauer nicht funktionieren. Egal ob man als „Dark-Fiber-Anbieter“ das Breitbandnetz lediglich vermietet, die Aktiv-Technik und die einzelnen Fasern mitvermarktet oder als Komplettanbieter für Internet, Telefonie und IPTV auftritt: In jedem Fall muss man diese Geschäftsfelder ganzheitlich und professionell angehen. Wenn irgendwo Probleme auftreten und man diese nicht umgehend lösen kann, weil die Kompetenz fehlt, wird es schnell teuer. Und das gefällt den wenigsten Aufsichtsgremien.
Wertschöpfung ins Haus holen
Ziel sollte es sein, das notwendige Know-how über die Zeitachse hinweg selbst aufzubauen und so die Wertschöpfung ins eigene Haus zu holen. Dafür müssen die einzelnen Wegpunkte eines Breitbandprojekts einzeln betrachtet und jeweils entschieden werden, inwieweit Unterstützung notwendig ist oder nicht. Bewährt hat es sich, wenn man schon zu diesem Zeitpunkt mit einem Partner spricht, der die Herausforderung „Breitband“ buchstäblich in ihrer gesamten Bandbreite beherrscht. Bei der Auswahl des Partners sollte man aber darauf achten, ob dessen Geschäftsmodell darauf ausgerichtet ist, den dazu notwendigen Know-how-Transfer aktiv zu unterstützen. Daneben muss der externe Partner umsetzungsorientiert arbeiten. Es reicht nicht aus, ein Konzept auszuarbeiten und dann die Realisierung anderen zu überlassen. Notwendig ist vielmehr eine aktive Begleitung des Projekts bis zu dem Zeitpunkt, an dem die jeweiligen Aufgaben vom Unternehmen selbst übernommen werden.
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- Date 27 Jul 2020
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