Berlin, 17. September 2019 | Autor: Rainer Wannenmacher, Senior Consultant bei der tktVivax GmbH
Bis 2025 soll Deutschland flächendeckend mit Gigabitnetzen versorgt werden, so zumindest der
Plan der Bundesregierung. Doch bevor es überhaupt ans Bauen gehen kann, müssen zahlreiche
Hausaufgaben erledigt werden. Da es an IT-Werkzeugen mangelt, die den Planungsprozess durchgängig unterstützen, ist die Netzplanung nach wie vor eine echte Herausforderung
Dieser Artikel ist auch in der Zeitschrift NET, Ausgabe 09/2019 erschienen
Am Anfang einer jeden Netzplanung steht zunächst einmal der Punkt der Finanzierung. So liegen beispielsweise die Kosten für den Aufbau eines Glasfasernetzes in einer mittelgroßen Kommune bei rund 30 bis 40 Mio. €. Diese Summe kann keine Stadt allein stemmen. Deswegen stellt sich nicht die Frage, wie das ideale Netz aussehen sollte, sondern welche Vorgaben für die Förderung aufgestellt werden. Dass diese durchaus große Konsequenzen für die Ausgestaltung haben können, illustriert das Beispiel „Faserbedarf pro Wohneinheit“.
Die Förderung des Landes Baden-Württemberg sah hier bis vor kurzem noch eine Faser pro Wohneinheit vor, völlig ausreichend für die meisten Haushalte. Nachdem nun der Bund die Federführung in Sachen Förderung übernommen hat, müssen jetzt gleich vier Fasern für jede Wohneinheit eingeplant werden, schließlich muss ja auch Wettbewerb möglich gemacht werden. Dass später in der Praxis fast immer nur eine Faser in Betrieb sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Der Fördermittelantrag wird so zu einem Planungswerkzeug, da dadurch eine ganze Reihe von Parametern von vornherein festgelegt wird.
Förderung nicht flächendeckend
Noch in dieser Legislaturperiode will die Bundesregierung zumindest alle Gewerbegebiete, Schulen und Krankenhäuser an das Gigabitnetz anschließen. Damit das gelingt, werden Fördermittel zur Verfügung gestellt. Öffentliche Zuschüsse gibt es ansonsten nur für den Glasfaserausbau in den sogenannten weißen Flecken. Das sind Gebiete mit einer Datenrate
von weniger als 30 Mbit/s. Gefördert wird zudem, wenn kein Marktteilnehmer – wie etwa die Deutsche Telekom – einen eigenwirtschaftlichen Ausbau und Betrieb in Zukunft gewährleistet
sieht. Basis dafür ist jeweils eine Marktabfrage.
Für die restlichen Flächen bleibt der schwarze Peter bei den Kommunen, Städten und Landkreisen hängen. Denn auch, wenn der Ausbau dort nicht vom Bund oder den Ländern gefördert wird, müssen sie ihren Bürgern ein Gigabitnetz zur Verfügung stellen. Wie bei Strom, Gas oder Wasser gehört die Breitbandförderung künftig ebenfalls zur kommunalen Daseinsvorsorge.
Damit dies nicht auf Dauer zu einem Zuschussgeschäft wird, ist eine saubere Business-Planung unverzichtbar, bevor überhaupt an eine entsprechende Netzplanung gedacht werden
kann. Basis dafür ist die genaue Analyse, wie und unter welchen Prämissen ein eigenständiger Netzausbau und eventueller Betrieb vollzogen werden können. Nur so lässt sich eine flächendeckende Breitbandversorgung im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge zukunftssicher umsetzen.
Wirtschaftlichkeit hängt vom Business Case ab
Die Wirtschaftlichkeit von Breitbandnetzen wird am besten mithilfe eines dynamischen Business-Case-Modells untersucht (Bilder 1 und 2). Dies bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Szenarien und Geschäftsmodelle auf ihre wirtschaftlichen Potenziale hin abzuklopfen. Je nach beabsichtigter
Wertschöpfungsstufe werden die Modelle dann aufbereitet. Die Wertschöpfung kann dabei vom reinen Auf- und Ausbau sowie der Verpachtung des Netzes bis hin zur Positionierung als umfassender Internetdienstleister reichen.
Ausgehend von einer ersten Kostenprognose, wird das jeweilige Modell immer exakter ausgearbeitet. Am Ende steht dann die detaillierte Analyse:
• der Konditionen der Vorprodukte;
• der eigenen Produkte;
• der Vertriebsstrategien;
• der Preisfindung;
• der Umsatz-, Gewinn- und Verlustplanung.
Damit liegen alle Fakten vor, um auf ihrer Basis eine Entscheidung für einen wirtschaftlichen Ausbau des Netzes treffen zu können.
Sinnvolle Cluster bliden
Üblicherweise wird der Aufbau eines Glasfasernetzes als Ganzes geplant. Es wird festgelegt, wo die Hauptverteiler (Points of Presence – PoPs) stehen sollen, wo Glasfaserunterverteiler installiert werden und wo die Rohrverbände verlegt werden sollen bis hin zum Hausübergabepunkt, der in der Regel im Keller des Gebäudes platziert wird. Welche Kapazitäten einzuplanen sind, ist, wie bereits beschrieben, oft schon durch den Fördermittelantrag festgelegt.
Die Wirtschaftlichkeit des Netzausbaus hängt dann aber stark davon ab, wo begonnen wird. Dazu muss das Netz in einzelne Cluster eingeteilt werden. Mittels einer Cluster-Analyse kann dann untersucht werden, welches Klientel in den einzelnen Clustern angesiedelt ist und vor allem, welchen Bedarf dieses Klientel hat. Die ersten Gebiete, die versorgt werden, sind dann die mit der höchsten potenziellen Kundendichte. Das ist in der Regel nicht das Stadtzentrum, sondern die Peripherie mit ihren großen Wohngebieten, in denen viele Menschen leben. Man startet deswegen auch nicht in der Reihenhaussiedlung, sondern dort, wo mit einem Hausanschluss gleich dutzende Wohneinheiten versorgt werden können.
Reibungslose Datenflüsse sicherstellen
Wie eingangs festgestellt, mangelt es noch an IT-Werkzeugen, die den Planungsprozess durchgängig unterstützen. Deswegen ist eine möglichst transparente und zuverlässige Schnittstellengestaltung für einen reibungslosen Datenfluss entscheidend. Für den logischen Aufbau des Netzes hat man bei Tktvivax deswegen eine eigene Datenbanklösung entwickelt, in der sämtliche Informationen wie Art der Netzelemente, deren Zuordnung und logische Struktur abgebildet werden. Ganz entscheidend ist dabei, dass alle Daten mit GIS-Informationen verbunden werden. Denn die Georeferenzierung ist entscheidend für alle nachfolgenden Prozesse, an denen in der Regel weitere Partner beteiligt sind, wie etwa Ingenieurbüros oder Baufirmen.
Gerade für Letztere ist es auch entscheidend, dass die Systeme einfach bedienbar sind, denn vor Ort sind normalerweise Menschen im Einsatz, die es nicht gewohnt sind, täglich mit IT-Systemen umzugehen. Besonderes Augenmerk sollte auf die Gebäudelisten gelegt werden. Hier muss genau aufgeführt sein, welches Mikrorohr bis zur Grundstücksgrenze bzw. bis zum Hausübergabepunkt verlegt und wie viele Fasern eingeblasen werden müssen.
Zudem muss hier die Planung genauestens mit der Dokumentation der tatsächlich vor Ort umgesetzten Maßnahmen abgeglichen werden. Denn zum einen führen die Gegebenheiten vor Ort nicht selten dazu, dass die Anschlüsse anders ausgeführt werden, als es in der Planung festgelegt worden ist. Zum anderen ist der Netzbau bei Highspeed-Netzen kein linearer Prozess. Er erfolgt in kleinen Abschnitten, an denen oft auch unterschiedliche Partner parallel arbeiten. Welche Anschlüsse zusammengefasst und in Betrieb gehen können, hängt auch stark von den Kunden und Eigentümern ab, die erst ihr Einverständnis geben müssen, bevor ein Grundstück und ein Gebäude an das Netz angeschlossen werden können.
Durchgängiges Kundenmanagement
Auch für die Verwaltung von Breitbandkunden gab es bislang kaum durchgängige und vor allem diensteunabhängige Lösungen. Denn mit einem herkömmlichen CRM-System lassen sich die Prozesse im Vertrieb und Kundenmanagement von Breitbandnetzen kaum abdecken. Um die
spezifischen Anforderungen in diesem Bereich erfüllen zu können, setzt man bei tktVivax auf die selbstentwickelte Lösung Diclina (Digital Client and Network Administration Software). Die on-Premise gehostete Webapplikation ist schnell einführbar und prozessorientiert aufgebaut. Auf diese Weise sind nur wenige Mitarbeiter notwendig, um auch ein hohes Kundenaufkommen bewältigen zu können. Über die integrierte Netzübersicht haben die Servicemitarbeiter nicht nur die Kunden, sondern auch alle IP-Adressen, Ressourcen, Standorte und die installierte Technik transparent im Blick. So können Neukunden unkompliziert provisioniert werden, ohne dass die Unterstützung durch einen Techniker nötig ist.
Als Kundenschnittstelle bietet Diclina ein einfach an den jeweiligen Auftritt des jeweiligen Internet Service Providers anpassbares Portal, über das Interessenten die Verfügbarkeit der einzelnen Angebote und Datenraten an ihrer Adresse prüfen und die entsprechenden Pakete direkt beauftragen können. Über diese Kundenschnittstelle ist später auch der Onlinezugriff auf Rechnungen oder Einzelverbindungsnachweise möglich.
Die Servicemitarbeiter sehen nach dem Einstieg eine Übersicht aller offenen Aufgaben, so dass sie ohne Umwege die Bearbeitung starten können. Über eine Ampelfunktion ist der Status jedes Kunden auf einen Blick ersichtlich – vom Stand der Einrichtung des Anschlusses bis hin zum Zahlungsverhalten. Für die Kundenkommunikation über einzelne personalisierte E-Mails steht zusätzlich ein Massen-Mailer zur Verfügung. Die Auftragsbearbeitung und das Kunden-management werden durch ein Ticket- System unterstützt. Auf Wunsch sind aber auch individuelle Ticket-Lösungen integrierbar, denn Diclina bietet eine offene Schnittstellenarchitektur. Die Abrechnung lässt sich so über die jeweils vor Ort eingesetzten Lösungen abwickeln. Auch die Anbindung an ERP-Systeme, wie SAP ist realisierbar, ebenso wie an zahlreiche technische Anwendungen.
Dazu gehören beispielsweise ACS-Lösungen (Automatic Configuration Server) von Axiros, Purtel und zukünftig GenieACS, die die jeweiligen Kundenendgeräte automatisch konfigurieren. Ergänzend stehen Schnittstellen zu Anbietern von Netztechnik wie Nokia/Alcatel, Iskratel und künftig auch Huawei zur Verfügung.
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- Date 17 Sep 2019
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